alte Grafik vom Amtsgericht Mülheim an der Ruhr
 

Einrichtung der Institution "Königliches Amtsgericht"

Am 1. Oktober 1879 wurde das königliche Amtsgericht aufgrund des Inkrafttretens des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 eingerichtet. Vorgänger war das königlich preußische Kreisgericht, das seinen Sitz im Schloss Broich hatte. Das neue Amtsgericht wurde ab 1. Oktober 1879 unter der Adresse Nothweg 43 (gegenüber dem heutigen Marktplatz in der Stadtmitte) in einem ehemaligen Wohnhaus untergebracht. In der Folgezeit zwangen der kontinuierliche Anstieg der Einwohnerzahlen und die damit verbundene stetige Steigerung des Geschäftsanfalls die Anmietung weiterer Räumlichkeiten im Haus Delle 25. Aber auch diese zusätzlichen Räume reichten bald nicht mehr aus.  

Neubau des Amtsgerichtsgebäudes 1902

Am 13. Dezember 1898 unterzeichneten die Stadt und die Justizverwaltung den Bau- und Mietvertrag zur Errichtung des neuen Amtsgerichtsgebäudes mit dem jetzigen Standort an der Georgstraße 13. Baubeginn war am 4. Dezember 1899, Bauende am 16. Oktober 1902. Der Neubau des königlichen Amtsgerichts wurde am 31. Oktober 1902 mit einem Festakt eingeweiht.

Raumnot und Umbaumaßnahmen

Obwohl bei der Planung des Neubaus eine zu erwartende Steigerung des Raumbedarfs berücksichtigt worden war, reichten die Räumlichkeiten in den Folgejahren bald nicht mehr aus. Die Bevölkerungszahl hatte sich verdoppelt; damit stiegen auch die vom Gericht zu bewältigenden Aufgaben, die von mehr Richtern und Bediensteten erledigt werden mussten. Erneut wurde der Ruf nach einer Erweiterung des Gerichtsgebäudes laut. Die gestellten Anträge wurden abgelehnt, lediglich Einzelmaßnahmen, wie kleinere Umbauarbeiten innerhalb der Behörde, wurden angeordnet und sollten der Raumnot abhelfen.  

In den Kriegsjahren 1939 - 1945 verlor das Thema "Erweiterungsbau" seine Dringlichkeit, da viele Bediensteten zum Kriegsdienst eingezogen waren. Das Amtsgerichtsgebäude überstand den zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet. Das Dach und die Fenster waren zerstört, die Erneuerungsmaßnahmen hielten sich im Rahmen.

Anmietung weiterer Räumlichkeiten, Fertigstellung des Anbaus

In der zweiten Hälfte der 50iger Jahre wurde die Raumnot wieder akut und es mussten Büroräume im Haus Aktienstraße 73 angemietet werden. Ab 1955 wurde die lang erwartete Erweiterung des Amtsgerichts in Angriff genommen. Im Frühjahr 1960 wurde der Erweiterungsbau in Form eines dreigeschossigen Anbaus an das alte Amtsgerichtsgebäude fertiggestellt und die Anmietung "Aktienstraße" aufgegeben.

Anmietung von Nebenstellen

Schon im Frühjahr 1972 las die Öffentlichkeit in der Zeitung, dass das Amtsgericht wieder aus "allen Nähten" platze. Ab Januar 1976 wurden die Abteilungen der Freiwilligen und der Familiengerichtsbarkeit in Büroräumen des ehemaligen Arbeitsamtes in der Heinrich-Melzer-Straße untergebracht.

Zum 1. November 1978 mietete man mitten in der Fußgängerzone Räume in der ersten und zweiten Etage eines Geschäfts- und Bürohauses auf der Schloßstraße. Die neue Nebenstelle wurde wiederum von den Abteilungen des Familiengerichts und der freiwilligen Gerichtsbarkeit bezogen und verblieben dort bis Oktober 1988.

 

Umbau und Fertigstellung der Nebenstelle Grundbuchamt, Georgstraße 15

Der Betrieb der Nebenstelle auf der Schloßstraße verursachte manche Beschwernisse. In den angemieteten Räumen gab es keine Verhandlungszimmer, die Sitzungen des Familiengerichts wurden im Gerichtsgebäude abgehalten. Die täglichen Kurierdienste zwischen Hauptgebäude und Nebenstelle erforderten zusätzliche Arbeitskräfte.

Ein mehr als 10 Jahre alter Plan wurde 1986 wieder aufgegriffen. Das Nachbarhaus an der Georgstraße 15 wurde  von der Justiz erworben. Nach umfangreichen Bauarbeiten zogen die Abteilungen des Grundbuchamtes in das Gebäude Georgstraße 15 und die Abteilungen der Nebenstelle Schloßstraße in das Haupthaus Georgstraße 13 um.

Restaurierung, Einweihung, Festakte und Tag der offenen Tür

Unter Mitwirkung des Landeskonservators begann im Frühjahr 1989 die Restaurierung des Gerichtsgebäudes. Das Treppenhaus wurde von alten Farbanstrichen befreit, der ursprünglich rote Sandstein mit seinen Verzierungen sowie die Stuckarbeiten im Zivilsitzungssaal kamen zum Vorschein. Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.

Am 19.6.1989 würdigte der damalige Justizminister Dr. Rolf Krumsiek in einem Festakt die Restaurierungsarbeiten des Altbaus sowie die Fertigstellung des Erweiterungsgebäudes in einer Festrede. Der Öffentlichkeit wurden die neuen Gebäude am 24. Juni 1989 an einem "Tag der offenen Tür" vorgestellt. Ca. 4000 interessierte Bürger und Bürgerinnen informierten sich über die Aufgaben und Tätigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtsgerichts. Zum Rahmenprogramm gehörten Schauprozesse in Straf-, Zivil- und Familiensachen, eine Versteigerung von Pfandgut durch Gerichtsvollzieher und Gerichtsvollzieherinnen. Ein Spielmobil, die mobile Verkehrswacht der Stadt und der Verkehrskasper bildeten das Programm für die Kinder. Sonderstände der Schiedsleute, der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sowie der Jugendgerichtshilfe ergänzten das Informationsangebot. Selbstverständlich kam auch das „leibliche Wohl“ der Gäste nicht zu kurz.

Projekt "Justiz 2003"

Zur Umsetzung des Projekts "Justiz 2003", in allen Gerichte des Landes Nordrhein-Westfalen die Informationstechnik einzuführen und die Behörden an das Landesverwaltungsnetz anzubinden, sind in den Folgejahren weitere Umbau- und Modernisierungsarbeiten erforderlich geworden. Alle Arbeitsplätze wurden mit Computern  ausgestattet. Softwarelösungen für die einzelnen Fachverfahren wurden installiert und ermöglichen jetzt die Führung der Register, Kalender, Grundbuchblätter und Akteninhalte in elektronischer Form.

Einrichtung einer Sicherheitsschleuse

Im Jahr 2004 wurde auf Anordnung des Justizministeriums zur Sicherheit der Bediensteten und des rechtsuchenden Publikums eine Sicherheitsschleuse installiert. Besucher und deren mitgeführtes Gepäck werden beim Betreten des Hauses einer Zugangskontrolle, ähnlich wie am Flughafen, unterzogen.

Inbetriebnahme eines Aufzugs

Der vor vielen Jahren beantragte und langersehnte Aufzug wurde 2008 fertiggestellt und in Betrieb genommen. Ältere Personen, Menschen mit Gehbehinderung, Rollstuhlfahrer und Mütter mit Kinderwagen können sich jetzt im Haus barrierefreier bewegen.

Verbindungsgang zwischen dem Amtsgericht und Grundbuchamt

Anfang 2010 ist der Verbindungsgang zwischen den ersten Etagen im Anbau des Haupthauses und dem Gebäude der Nebenstelle des Grundbuchamtes fertiggestellt worden, der die Häuser miteinander verbindet. Nach Abschluss dieser Baumaßnahme sind die Räume der Nebenstelle des Grundbuchamtes über den Haupteingang weitestgehend  barrierefrei erreichbar, da der Aufzug im Haupthaus benutzt werden kann.

 

Sanierungsarbeiten 2012 - 2017

Für Sanierungsarbeiten hat der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW – unterstützt von der Justiz – in den Jahren 2012 und 2017 mehr als 2 Mio. Euro investiert.

Zu den Sanierungsarbeiten gehörten die Erneuerung der Toilettenanlagen im Anbau und die Installation einer behindertengerechte Toilette in der ersten Etage.

Eine weitere Baumaßnahme stellte die Sanierung und Erneuerung der Fenster dar. Die Fenster im Hauptgebäude stammten aus dem Jahr 1902, dem Jahr der Fertigstellung des Gerichts. Die denkmalgeschützten Fenster an der Vorderfront des Hauptgebäudes zur Georgstraße wurden saniert. Um dem vorgeschriebenen Sicherheitsstandard  zu genügen, mussten diese Fenster mit einem zusätzlichen gesicherten Fenster mit Spezialglas versehen werden. Die Fenster in den Seitentrakten zu Gerichtstraße und dem Anbau an der Georgstraße wurden durch neue Fenster mit Sicherheitsglas ersetzt.

Die Fassadensanierung bildete den Abschluss dieser umfangreichen Baumaßnahme. Der Ruhrsandstein, der 1902 zum Bau des Gebäudes verwandt wurde, musste mit Sandstrahl gereinigt und zum Teil neu verfugt werden. Die Fensterumrahmungen, die aus gelben Sandstein bestehen, wurde aufgearbeitet. Die denkmalgeschützte Giebelfront an der Gerichtsstraße wurde neu verputzt und aufgearbeitet. Die Fassade am Anbau zur Hofseite hat eine Dämmung und einen neuen hellen Anstrich erhalten.

Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an der Außenfassade des Haupthauses erfolgte in den Jahren 2014 - 2016 die wärmeenergetische Sanierung  des Haupthauses, des Anbaus sowie des Gebäudes des Grundbuchamt. Die Haus- und Dachdämmungen wurden durchgeführt. Von Ende 2016 bis Frühjahr 2017 sind im Anbau sowie im Grundbuchamt die Fenster und die Fassaden erneuert worden.

Im Haupthaus und Anbau wurde Mitte 2016 die veraltete Beleuchtung durch eine moderne, präsenzmeldegesteuerte Beleuchtung ersetzt. Für die Wartebereiche wurden moderne Wartebänke beschafft, die Anstriche erneuert.

Fundstellen

Festschrift von 1989
Verwaltungsvorgänge des Amtsgerichts
Bildarchiv des Amtsgerichts

Eine ausführliche Beschreibung der Baugeschichte von 1879 bis 1989 ist der Festschrift von 1989 zu entnehmen, die anlässlich der Erweiterung und Renovierung des Amtsgerichts  Mülheim an der Ruhr entstanden ist. Weitere ausführliche Informationen zum „Tag der offenen Tür“ befinden sich im Verwaltungsvorgang. Bilder ohne gesonderte Quellenangabe stammen aus dem Bildarchiv des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr.

Die Festschrift ist leider nicht barriererefrei. 

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    Festschrift zur Baugeschichte, Erweiterung und Renovierung des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr